6. Februar 2017 Mario Schmidt-Wendling

Paddles-Schwimmen Teil 2

Im Video 427 hab ich mich auf einen im Netz aufgetauchten Test zum Thema Paddles bezogen. Mein Blog hat offensichtlich dazu angeregt, die Inhalte weiter zu erläutern. Find ich prinzipiell sehr gut, denn ich stimme in weiten Teilen auch zu.

1.Paddles sind auch für Einsteiger bei sorgsamer Nutzung geeignet: korrekt

2.Paddles sollten nach der Handgröße ausgewählt werden: seh ich anders, ich konnte in keiner wissenschaftlichen Publikation einen entsprechenden Hinweis darauf finden. Ich denke, dass die Paddlesgröße abhängig vom schwimmerischen Vermögen, Trainingszweck und Saisonzeitpunkt  ist. Ich würde Anfängern ebenfalls zur Nutzung von tendenziell zu kleinen als zu großen Paddles raten, da sich die Schulter erst sukzessive an die auftretenden Kräfte adaptieren muss.

Malmsten: XS oder S

TYR Catalyst: XS oder S

Roka Pro Swim Paddles: S

Roka gibt als Sizing Guide sowohl Infos zur Schwimmerleistung als auch zur Handgröße an

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(Quelle: roka.com)

Malmsten verweist lediglich auf den unterschiedlichen Einsatzzweck hin

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(Quelle: malmsten.com)

Die Firma TYR unterscheidet in Kategorie und Leistungsklassen.

Schwimmen mit kleinen Paddles sollte aber im Umkehrschluss nicht bedeuten, dass mit Fingerpaddles gearbeitet werden sollte, da in meinen Augen das kontraproduktive Abknicken im Handgelenk gefördert statt unterbunden wird.

3. Häufigkeit/ Anteile im Training mit Paddles: Hier werden pauschal 20% als Obergrenze angegeben. Seh ich anders, muss von Fall zu Fall entschieden werden.

4. Einstiegstips zum Paddlesschwimmen: da bin ich d’accord, kurze Teilstrecken mit entsprechend langer Pause sind zielführender als lange Teilstrecken mit kumulierter Belastung in der Schulter schwimmen zu lassen

5. Schulterschmerzen: korrekt

6.Handwölbung: die angegebene Quelle “Technische Fluiddynamik” ist mir bekannt. Die von der Autorin angesprochenen Phänomene werden im “World book of swimming” ISBN 978-1-61470-741-7 hinlänglich beschrieben. Ich bin mit der Autorin auch einer Meinung, dass die Hand locker, also mit einer natürlichen Wölbung versehen, genutzt werden sollte, um u.a. auch den “Schwimmhauteffekt” zwischen den Fingern zu erzielen.

In der Praxis sieht das jedoch in meinen Augen komplett anders aus. Die Schwimmer, die mit den Modellen von Zoggs oder Head, also mit gewölbter Oberfläche unterwegs sind, schwimmen in der Realität nachfolgend ohne Paddles zu oft mit zu stark schaufelförmiger Handposition. Die Athleten mit einem Paddle mit planer Oberfläche schwimmen beim Einsatz von Paddles klar mit stark geöffneter Handinnenfläche, aber beim Schwimmen ohne “korrekte” Paddles dann seltsamerweise immer mit technisch korrekter Handposition. Es gibt hierzu keine anzuführende Studie, die Zeilen berufen sich ausschliesslich auf meine empirischen Beobachtungen als Triathlon Coach aus 10000 Stunden am Beckenrand. Wenn Paddles mit konvexer Struktur biomechanisch förderlich wären, frag ich mich, warum man die auf fast keinem Bild von Top-Triathleten beim Schwimmtraining auf den diversen social media-Kanälen findet. Die weltweit erfolgreichsten Coaches Brett Sutton, Matt Dixon und Siri Lindley sind ebenfalls Befürworter der o.g. Paddles-Hersteller.

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7. Finis Agility Paddles: ich stimme der Autorin und auch der von mir geschätzten Annette Gasper zu, geb aber ganz klar zu Bedenken, wie der gemeine Triathlet schwimmerisch ausgestattet ist. Das angeführte gleichzeitige Eintauchen von Daumen und Zeigefinger ist für den Otto-Normal-Triathleten kaum unsetzbar, denn er wird es i.d.R. koordinativ gar nicht richtig erfassen können. Man muss hier ganz klar zwischen reinen Schwimmern, die meistens ihr Handwerk mit der Muttermilch aufgesogen haben und Triathleten, die sehr oft als Quereinsteiger und Schwimmanfänger in den Sport gelangen, differenzieren. Was für einen Schwimmer funktioniert, muss noch lange nicht im Triathlon Erfolg bringen. Das Anforderungsprofil des Schwimmens im Triathlon, insbesondere auf der Langdistanz, ist ziemlich konträr zu den Fähigkeiten, die ein Beckenschwimmen mitbringt( z.B. Unterschiede in der Physiognomie, Wellengang, Schwimmen mit Neopren und direkter Kontakt zu Mitstreitern). Ich bin ganz klar der Meinung, dass der Einsatz der Agility Paddles eher zu einem falschen Eintauchen verleitet, weil der “grobmotorische Triathlet” gar nicht den Unterschied spürt. Meine Beobachtungen am Beckenrand und zig Videoanalysen zeigen mir ganz klar, dass dieser Paddle für schlechtere bis durchschnittliche Triathlon-Schwimmer eher kontraproduktiv ist, weil vermehrt über den Daumen bei teilweise gliechzeitiger Fixierung des Paddles mittels Daumen eingetaucht wird.

Ich verfahre hier gerne nach dem Prinzip “simple style” und propagiere eher Dinge und Inhalte, die dem Triathleten zum Vorteil gereichen.

Dazu zählen:

-kein Lagenschwimmen (Ausnahme Rückenschwimmen zum Ein- oder Ausschwimmen), weil die Benefits nicht in Relation zum zeitlichen Aufwand des Erlernens stehen

– korrekte Auswahl der Technikübungen, die ein Athlet a) versteht und b) mit seiner individuellen Motorik umsetzen kann. In meinen Augen nimmt das Schwimmen von Drills einen zu großen Anteil des Gesamtschwimmtrainings bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Fakts, dass Schwimmen ebenfalls ein aerober Sport ist, ein. Wenn man als Triathlet ins Becken steigt, muss auch was passieren. 90min Schwimmtraining bei gleichzeitig 1900m geschwommener Distanz wird nicht zum Erfolg auf der Langdistanz führen. Triathlon-Vereine, die einen reinen Schwimmtrainer am Beckenrand stehen haben, sollten diesen bzgl. der Besonderheiten/Komplexität der Sportart Triathlon briefen.

8. Löcher in den Paddles: die Aussagen der Autorin regen zum Nachdenken an, da muss und werde ich mich nochmals einlesen. Danke hierfür!

Abschließend möchte ich hinzufügen, dass es durchaus mehrere Wege gibt, die nach Rom führen. Bei allem Abtauchen in den Nerd-Bereich der Schwimmphysik und Biomechanik, möchte ich ganz klar anführen, dass ich ein Coach aus der Praxis bin. Ich beobachte, mach mir Notizen und versuche meine Beobachtungen im alltäglichen Umgang mit Athleten durch Lesen der entsprechenden Publikationen zu untermauern. Im Zweifel bin ich jedoch immer pro Praxis und gegen die wissenschaftliche Theorie gepolt, denn wenn die jeweiligen Dinge zum Erfolg führen, dann ist es mir eigentlich fast Wurscht, was die Wissenschaft hierzu anbringt.

Triathlon ist Triathlon und NICHT Schwimmen, Radfahren, Laufen!