Der Hype ums Radfahren im bergigen Terrain
Ich muss mich zusehends wundern, was sich auf Mallorca oder in anderen Trainingsrevieren so abspielt. Da werden Höhenmeter en masse gesammelt, am ersten Trainingstag nach Orient gefahren, kein Radausfahrt ohne ein „Highlight“ in Form einer Bergbezwingung eingeplant.
Wenn man sieht, wie viele Menschen sich nach Sa Colbra im März und April hochqäulen, kann man sich schon fragen, ob das für alle triathletischen Leistungsklassen und insbesondere im Trainingslager sinnvoll ist. Ich hab da eher das Gefühl, es geht hierbei um die Eventisierung des Banalen, da eben Sa Calobra zu einem „echten Trainingslager dazu gehört“.
Ich seh das komplett konträr und stelle mal eine ketzerische These auf, dass solche Trainingseinheiten für 85% aller Triathleten im Frühjahr eher kontraproduktiv sind.
Nicht falsch verstehen, ich bin schon Freund des Kraftausdauertrainings in allen 3 Disziplinen, doch wie bei allem im Leben, macht eben die Anzahl das Gift.
Wenn man sich das Anforderungsprofil eines klassischen Langdistanzrennens (ausgenommen: Wales, Lanzarote, Embrunman etc.) anschaut, stellt man recht schnell fest, dass die kumulierten Höhenmeter zwischen 800 und 1800hm liegen, also ein Profil aufweisen, dass in einem Roadbook der Tour de France eher als Null-Linie eingezeichnet wird, ergo ist eine besondere Fähigkeit des Radfahrens im Ironman erforderlich: das kontiunierliche Treten.
Wird nun aber im bergigen Terrain trainiert, hat man zwar bergauf etwas mehr Leistung auf dem Pedal und generiert dadurch auch einen höheren Kraftreiz und verändert unter Umständen sein Muskelfaserspektrum von schnellzuckenenden und kohlenhydratraubenden Typ IIx-Fasern hin zu Ausdauerfasern des Typ I, hat aber dann nachfolgend bergab eine deutlich geringere Last zu überwinden. Wenn man Powermeter-Files aus Grundlageneinheiten im bergigen und flach/welligen Terrain miteinander vergleicht, sieht man recht deutlich, dass i.d.R. im Flachen
- kontinuierlicher Leistung erbracht wird
- die Durchschnittsleistung höher ist.
Erschwerend kommt noch hinzu, dass einige „Flachlandtiroler“ nur bedingt an eben diese hohen Kraftreize gewohnt sind, sprich sich relativ häufig Überlastungsproblematiken in Form von Knie- und Rückenschmerzen durch zu viele Höhenmeter einstellen. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass bei teilweise einstelligen Temperaturen bergab eine große Auskühlungs- und Erkältungsgefahr droht, verringern sich die Argumente pro permanentem Training in den Bergen noch mehr.
Ich würde daher das KA-Training am Berg immer bewusst als besondere Trainingsform und kontrolliert durchführen, also einen Berg mit ca 10min Dauer mehrere Male hochfahren und die Pause durchs Bergabrollen füllen und weniger randomisierte Anteile KA durch dauerhaftes Fahren in den Bergen einbauen.
Ein Trainingslager dient am Ende immer noch dazu, Form nachhaltig aufzubauen. Was hat ein Athlet davon, wenn er knieschmerzen- oder infektbedingt sein Camp nicht so absolvieren kann, dass es ihm etwas bringt? Unterm Strich sollte in einem Camp für Age-Grouper nicht zu intensiv (auch im Flachen eher zu langsam als zu schnell) trainiert werden. Dazu zählt das Meiden zu langer Anstiege und langer Läufe, die muskulär zu fordernd sind. Viele Sportler sind schon mit 4-5h Ausfahrten im Flachen überfordert und statt erstmal „unten“ zu bleiben, wird sich gnadenlos abgeschossen.
Unter https://sisu-training.de/allgemein/trainingslager-2018-irgendwas-ist-anders/ hab ich bereits letztes Jahr einige „Auswüchse“ in manchen Camps in Frage gestellt.
Das Training des Fettstoffwechsels ist immer noch der entscheidende Erfolgsfaktor auf der Langdistanz. Auch flaches Training im GA1 bedeutet Trainingsqualität, so dass alle Befürtworter des inflationär genutzten Schlagworts „Qualität vor Quantität“ auch abgeholt werden!
Gemäß dem Prinzip „lieber den Spatz in der Hand“ sollte sichergestellt werden, dass das geleistete Training auch fruchtet und eben nicht schadet.
Train safe und FLACH!
Mario