Mit Mitte Mai kommt erfahrungsgemäß die erste Welle der Wettkampfpanik, denn bis zu den großen Rennen im Sommer sind es nur noch paar Wochen Zeit.
Wenn dann, wie aktuell, das Wetter oft einen Strich durch die Rechnung macht, nimmt die Panik noch mehr zu.
Wenn dann auch noch „epische Heldentaten“ von Trainingspartnern und „Strava-Freunden“ kolportiert werden, nimmt die Panik ziemliche Ausmaße an.
Es kommt zu urplötzlichem Aufblähen des Trainingsvolumens und unkontrolliertem Steigern der Intensität, gemäß dem Prinzip „viel hilft viel“. Wenn dann die obskuren Garmin-Algorithmen einen unproduktiven Zustand, eine lange Regenerationszeit und/oder ein Absinken der wie auch immer ermittelten VO2max anzeigen, wird das Training in Frage gestellt und unreflektiert, noch mehr und noch härter weitertrainiert. Dabei werden die Warnsignale des Körpers übergangen. Kleine Zipperlein werden ignoriert, denn das gehört für viele einfach dazu. Halskratzen, Aphten auf der Munschleimhaut, Heißhunger auf Süßes, Ein- und Durchschlafstörungen etc. billigend in Kauf genommen.
In meinen 15 Jahren als Coach hab ich schon zig Sportler erleben müssen, die all diese Signale ignorieren und es als Todsünde einstufen, den Trainingsplan nicht 1:1 erfüllen zu können. Bei solchen Sportlern findet man im Trainingstagebuch nur positive Einträge, sie fühlen sich grundsätzlich immer gut, denn geschwächelt wird als harter Eisenmann natürlich nicht.
Doch, wie so oft im Leben, ist weniger oft mehr. Soll heißen, dass ein frühzeitiges Ziehen der Reißleine manche Athleten davor bewahren kann, in einen Zustand des non-funktionalen Overreachings oder sogar des Übertrainings zu gelangen, Krankheiten abzuwenden oder deren Dauer zu reduzieren. Die Chancen, in körperlicher und mentaler Top-Form an der Startlinie des Hauptwettkampfs zu stehen, nehmen dadurch immens zu. Doch sind heutzutage vielen Athleten die Fähigkeiten der Selbstreflekion abhanden gekommen, sie verlassen sich nur auf die o.g. Metriken und/oder Werte wie CTL, ATL, TSS, TSB etc. ohne wirklich in sich hineinzuhören.
Um Sportlern eine Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung zu geben, habe ich untenstehende Graphik erstellt, die gemäß der Ampelfarben wirklich leicht verständlich sein sollte.
Bleibt nach wie vor die Bitte meinerseits, nicht immer den Uhren Glauben zu schenken, sondern sich bewusst mal mit sich selbst auseinandersetzen, den jeweiligen aktuellen Zustand abzuklopfen und sich zur Sicherheit mit dem Trainer zum weiteren Vorgehen abzustimmen.
Train hard, but smart!