Sportlerinnen und in diesem Blog explizit Triathletinnen finden sich in einer Art Zwickmühle wieder, denn der Zeitpunkt des Leistungszeniths ist dummerweise gleichzeitig auch der Lebensabschnitt, in dem Frauen Kinder auf die Welt bringen können. Dass das eine das andere nicht per se ausschliessen soll, haben bereits einige Top-Athletinnen wie z.B. Mirinda Carfrae, Nicola Spirig und auch Daniela Bleymehl (deren Wiedereinstieg ins Training beispielhaft weiter unten erwähnt wird) gezeigt.
Ein bekanntes Sprichwort besagt, dass eine Schwangerschaft 40 Wochen lang kommt und auch in 40 Wochen wieder geht. Will sagen, dass der weibliche Körper Zeit braucht, um die jeweilige Anpassung zu vollziehen. In den letzten Jahren sieht man verstärkt Athletinnen, die sich schwanger auf social media präsentieren und voller Stolz ihre Trainings während dieser Zeit der Öffentlichkeit präsentieren. Prinzipiell ist Sport in der Schwangerschaft zu begrüßen, die Mehrdurchblutung und der Abtransport der Lymphe durch Bewegung sind klar von Vorteil. Allerdings mit einer Einschränkung in diesem Fall, nämlich der Phase innerhalb der Schwangerschaft angepasst. Pauschale Empfehlungen kann man nur bedingt abgeben, da sich nicht jeder Schwangerschaft vergleichen lässt. Gynäkologen, Hebammen und der klare Menschenverstand geben jedoch vor, dass das Laufen ab einer gewissen Phase der Schwangerschaft nicht mehr zielführend sein kann. Der weibliche Körper wird hormonell auf die bevorstehende Geburt vorbereite, sprich Bänder und Sehnen werden elastischer, um den Geburtskanal ebenfalls zu lockern. Abnehmende Stabilität im Sprunggelenk kann zu Supinationstraumata führen, aber auch aus gynäkologischen Gesichtspunkten heraus sind die beim Laufen auftretenden Stoßbelastungen nicht ungefährlich. Um die Gesundheit von Mutter und ungeborenem Kind nicht zu gefährden, empfiehlt es sich ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr, Laufen zu gehen. Im Triathlon können wir uns auch hier auf den Vorteil der Tatsache, dass wir 3 Sportarten bedienen, berufen und brauchen zum Erhalt der Fitness demnach nicht zwingend das Laufen. Radfahren und Schwimmen als sog. Non-Impact-Sportarten wären demnach zu bevorzugen. Allerdings kann die vorn über gebeugte Haltung auf dem Zeitfahrrad schmerzhaft sein, so dass dann eher auf das Rennrad zurückgegriffen werden sollte. Wird diese Sitzposition dann auch zu unbequem, bietet sich, falls vorhanden, eine gemäßigtere Position auf dem Mountainbike an. Gleichzeitig werden Federgabel und Dämpfung am Hinterrad als bequem empfunden, was weiters die Lust am Sport befördert. Aus Sicherheitsgründen würde ich empfehlen, auf viel befahrene Strassen zu verzichten und eher abseits auf kleinen Strassen oder gut befestigten Wald- oder Wirtschaftswegen zu fahren. Technisch anspruchsvolle Singletrails wären ebenfalls zu meiden. Das Schwimmen stellt die schonendste Sportart dar, kann demnach auch bis unmittelbar vor Geburt durchgeführt werden. Die Auftriebskraft des Wasser lässt das Gefühl der Schwerelosigkeit und Leichtigkeit aufkommen, das sich gerade in der finalen Phase mit dem rapide zunehmenden Körpergewicht als Wohltat rausstellt. Aquajogging bzw. Wassergymnastik wären weitere Alternativen, um für Abwechslung im Trainingsalltag zu sorgen. Bei allen Ausdauersportarten sollte die Intensität wirklich moderat, sprich im Grundlagenausdauerbereich, gewählt werden. Der weibliche Körper leistet mit dem „Bauen“ eines Kindes bereits Unvorstellbares, so dass in meinen Augen jeder additive Stress und insbesondere Hypoxie, vermieden werden sollten. Athletik- und Krafttraining finden für mich keinen Platz im Training für Schwangere. Durch das Überdehnen der Abdominalmuskulatur und der damit entstehenden Rectusdiastase kann die Bauchmuskulatur nur schlecht innerviert werden. Ohne entsprechende Stabilität in der Körpermitte wird das Krafttraining nicht nur qualitativ nachteilig, sondern auch gesundheitlich gefährlich.
Nach überstandener Geburt sollte unbedingt Wochenbett gehalten werden, um sich vom Kraftakt der Geburt ausreichend zu erholen und sich mit der neu entstandenen Lebenssituation zu arrangieren und diese auch wirklich zu genießen. Kaiserschnitt bzw. Dammschnitt stellen Wunden dar, die ausreichende Zeit zur Heilung bedürfen. Ein Training bei Scheidenfluss birgt ein sehr großes Infektionsrisiko in sich. Um den Körper bzw. die Gesundheit nicht nachhaltig durch einen zu frühen Wiedereinstieg zu gefährden, würde ich als frühesten Zeitpunkt 3-4 Wochen nach Geburt ausgeben. Das Einbauen der einzelnen Sportarten sollte dabei umgekehrt zur ausschleichenden Reihenfolge während der Schwangerschaft, also zu Beginn erst Schwimmen, dann Rad, dann Laufen berücksichtigt werden. Gleichzeitig sollte in Rücksprache mit der Nachsorgehebamme das Training der Beckenbodenmuskulatur als Rückbildungsgymnastik besprochen werden. Eine weitere Problemstellung ist mit dem Stillen gegeben. Die Milchproduktion stellt eine großen Energiebedarf dar und wirkt sich nachhaltig auf die Knochensubstanz aus, sprich man hat mit ein größeres Osteoporose- und Ermüdungsbruchrisiko zu rechnen. Das gestiegene Gewicht der weiblichen Brust in Kombination mit der vorherrschenden Schwerkraft braucht somit auch wirklich gute Unterstützung in Form eines sehr gut sitzenden Sport-BHs.
Wie oben bereits angerissen, möchte ich hier kurz die Zusammenarbeit mit Daniela Bleymehl während der Schwangerschaft und im ersten Jahr nach Geburt beleuchten.
Wir haben uns entschieden, für die Zeit der Schwangerschaft auf wöchentlich individuelle Trainingspläne zu verzichten, haben stattdessen die o.g. Prinzipien besprochen. Tagesgenaue Pläne machen für mich dabei wenig Sinn, denn das Wohlbefinden einer schwangeren Athletin steht klar im Vordergrund. Ein Nichtbefolgen solcher Pläne bedeutet Stress, den wir dringend vermeiden wollten. Dani hat recht früh das Laufen eingestellt, ist stattdessen MTB gefahren und bis unmittelbar vor der Geburt noch locker geschwommen. Die Intensitäten waren HF-gesteuert alle im unteren Bereich angesiedelt. 3 Wochen nach Geburt hat Dani begonnen, sich ganz moderat zu bewegen. Spaziergänge und erste zaghafte Versuche auf dem MTB und im Wasser waren hierbei angezeigt. Ab der 4.Woche haben wir das gemeinsame Training mit Struktur wieder aufgenommen. Schwimmen und Rolle waren dabei die einzigen Sportarten auf dem Plan. Nach ca. 3 Wochen ist dann der Plan gereift, die Vorbereitung für den Ironman South Africa konkreter aufzunehmen. Teil dieser Planungen war es für mich, Benchmarks zu definieren. In den folgenden Wochen gab es meistens in alle 3 Disziplinen Kennzahlen, die Daniela treffen sollte, um sicherzustellen, dass wir auf dem richtigen Weg im Hinblick auf die African Championships sind. Diese Kennzahlen konnten bestimmte Intensitäten, aber auch Volumina umfassen. Besonderer Fokus lag dabei auf das gesunde und nachhaltige Zurückführen an die Laufbelastungen vor der Schwangerschaft. Wir sind initial mit Einheiten von 20min Dauer gestartet, haben dabei das Laufen immer wieder durch Gehabsschnitte unterbrochen, um die kumulierte orthopädische Last des Laufens zu verringern. Nach und nach wurden die Gehpause geringer, die Laufanteile und die Gesamtdauer der Laufeinheiten ebenfalls länger. Prämisse an dieser Stelle war, möglichst wachsam zu bleiben, sprich bei auftretenden Problemen oder „komischen Gefühlen“ im Bewegungsapparat, das Laufen dann direkt abzubrechen. Das Laufen wurde nach einem On/Off-Schema strukturiert, sprich auf einem Tag Laufbelastung folgt ein lauffreier Tag usw.
Das Ganze wurde stark durch ein Rückbildungsprogramm ergänzt. Mit fortlaufender Dauer wurden immer mehr Anteile Athletik implementiert.
Dani hat in all diesen Wochen zu fast 100% diese Kennzahlen getroffen, 2 Trainingslager auf Lanzarote mit viel Volumen waren hilfreich, um die Form für den Ironman South Africa zu schleifen. Wenn man bedenkt, dass sie seit Geburt ihrer Tochter Alicia wohl keine Nacht normal durchgeschlafen hat, den Alltag mit Betreuung immer wieder organisieren muss, gestillt hat, kann man sich vorstellen, wie komplex eine solche Trainingsplanung in diesem speziellen Fall ist. Der erhöhte Energiebedarf durch das Stillen sollte man dabei auf keinen Fall außer Acht lassen, auf wirklich ausreichende Energieaufnahme ist dabei zu achten, um die Milchproduktion, Regeneration, Trainingswirksamkeit und die Knochengesundheit sicherzustellen. Leider findet man hierzu keine wissenschaftlichen Paper, um den zusätzlichen Energiebedarf zu berechnen, das erfolgt dann eher nach Gefühl. Generell gibt es zum Thema Rückkehr in den Sport nach Schwangerschaft relativ wenige Studien, die wenigen beinhalten dann leider nicht Weltklassesportlerinnen als Probandinnen.
Abschließend möchte ich mich an der Stelle vor Dani verneigen, denn wie sie dieses erste Jahr nach der Geburt mit all den Schwierigkeiten gemeistert hat, ist einfach nur beeindruckend. Vor Ablauf des ersten Jahres nach Geburt zwei Ironman-Rennen ( South Africa und Frankfurt) gewonnen zu haben, ist einfach nur grandios. Ich bin sehr glücklich über die Tatsache, dass wir einen sehr konservativen Weg gewählt haben, nicht zu schnell zu viel an Volumen und Intensität eingebaut haben und gewährleisten konnten, dass keine gesundheitlichen Probleme aufgetreten sind. Manch andere Profi-Athletin hat mit zu rapidem Wiedereinstieg ins Training mit viel Volumen und zu frühen Wettkämpfen nach Geburt einen sehr hohen Preis mit Ermüdungsbrüchen und gynäkologischen Problemen bezahlt. Für mich stellt das ein vollkommen falsches Signal für werdende Mütter dar, denn es suggeriert, dass man in der Schwangerschaft normal trainieren kann und auch möglichst schnell danach wieder auf die Füße kommen kann. Ich habe manchmal den Eindruck, dass unter Athletinnen die Schwangerschaft oft eher als Bürde und weniger als Geschenk der Natur, das es am Ende einfach auch ist (als 4-facher Vater kann ich das durchaus beurteilen), empfinden.
Ich bin sehr dankbar, glücklich und stolz, meinen bescheidenen Beitrag zu Danis fulminanten Comeback mit 2 Siegen bei Ironman-Rennen in diesem sehr speziellen Jahr geleistet zu haben.
Hier einige Paper zu diesem Thema:
Ardern, C., Glasgow, P., Schneiders, A., Witvrouw, E., Clarsen, B., Cools, A., Gojanovic, B., Griffin, S., Khan, K., Moksnes, H., Mutch, S., Phillips, N., Reurink, G., Sadler, R., Grävare Silbernagel, K., Thorborg, K., Wangensteen, A., Wilk, K. and Bizzini, M. (2016). 2016 Consensus statement on return to sport from the First World Congress in Sports Physical Therapy, Bern. British Journal of Sports Medicine, 50(14), pp.853-864.
Bø, K. Artal, R., Barakat, R., Brown, W. J., Davies, G. A. L., Dooley, M., Evenson, K. R., Haakstad, L. A. H., Kayser, B., Kinnunen, T. I., Larsénm K., Mottola, M. F., Nygaard, I., van Poppel, M., Stuge, B., Khan, K. M. (2017) Exercise and pregnancy in recreational and elite athletes: 2016/17 evidence summary from the IOC Expert Group Meeting, Lausanne. Part 3-exercise in the postpartum period. Br J Sports Med 51(21), pp.1516-1525.
Dudgeon, E. (2019). Relative energy deficiency in sport (RED-S): recognition and next steps. [Blog] BJSM. Available at: https://blogs.bmj.com/bjsm/2019/04/22/relative-energy-deficiency-in-sport-red-s-recognition-and-next-steps/ [Accessed 25 Apr. 2019].
Goom, T., Donnelly, G. and Brockwell, E. (2019) Returning to running postnatal – guideline for medical, health and fitness professionals managing this population. [https://mailchi.mp/38feb9423b2d/returning-to-running-postnatal-guideline]