20. Oktober 2012 admin

Das Schwimmen für Triathleten 2.0

Nach über 4500 Stunden als Coach am Beckenrand, primär im Training mit Triathleten, möchte ich meinen Approach zum Thema Schwimmtraining kund tun.
Wie gesagt, das ist meine eigene Meinung, die auch keineswegs als allgemein richtig oder wissenschaftlich validierbar gewertet werden sollte.

Die meisten Triathleten, aber auch Trainer, machen den Fehler, dass sie sich zu sehr am Training reiner Schwimmer orientieren. Triathlon ist aber nun mal Triathlon und nicht Schwimmen, Radfahren und Laufen, sondern eine Sportart, die vom Zusammenspiel eben dieser 3 Sportarten lebt. Deswegen sollte man sich auch nicht immer wirklich am Training der sog.Spezialisten orientieren. Was für einen Beckenschwimmer das Richtige ist, ist noch lange nicht zielführend für einen Ironman, der sich mit 2000 anderen Wahnsinnigen in die Fluten stürzt.

Triathleten bringen alleine schon andere körperliche Vorraussetzungen mit. Wir haben schlichtweg zuviel Beinmuskulatur, um eine nahezu horizontale Wasserlage zu erzielen. Apropos Wasserlage: Wenn man sich Bilder absoluter Topschwimmer anschaut, sieht man, dass selbst diese keine horizontale Beinposition erzielen. Darauf werde ich später nochmals eingehen.

Desweiteren kann ein Wettkampfschwimmer seine Technik mehr oder weniger ungestört umsetzen, da er den Luxus hat, sich allein auf einer 2,50m breiten Schwimmbahn aufzuhalten. Der Triathlet muss sich jedoch mit anderen Mitstreitern rumschlagen.

Der Faktor Zeit spielt ebenso eine wichtige Rolle. Reine Schwimmer trainieren im Wasser und im Kraftraum- that’s it. Wir müssen noch aufs Rad und die Laufschuhe schnüren. Haben dadurch weniger Zeit, uns dezidiert ums Thema Schwimmtechnik zu kümmern. Darüber hinaus ist der Muskeltonus in der Beinmuskulatur i.d.R.rad- und laufbedingt recht hoch, was wiederum einen effizienten Beinschlag inhibitiert.

Mittlerweile zweifle ich den Benefit eines Techniktrainings an, denn das, was man evtl. 25 oder 50m sauber am Stück schwimmen kann, ist in der harten Realität nicht das, was man nach 3000 oder 3500m im Ironman zu erwarten hat. Ich wage zu bezweifeln, dass der gemeine Triathlet in der Lage ist, nach 3000m noch an einen hohen Ellenbogen über Wasser zu denken. Wichtiger ist es wohl, 3600-3800 saubere Züge am Stück absolvieren zu können. Sauber bezieht sich hierbei auf die Unterwasserphase, also auf den wirklich vortriebswirksamen Anteil der Gesamtbewegung. Doch wie bekommt man diese saubere Bewegung hin? Ganz einfach: Man nimmt einen großen Pullbuoy mit viel Auftriebsfunktion zwischen die Beine, um in die horizontale Körperposition zu gelangen. Schwimmt man mit kleinem oder keinem Pullbuoy, hängen die Beine und daraus resultierend auch der Oberkörper tief im Wasser. Aus dieser Position ist es nahezu nicht möglich, das Anstellen des Unterarms, also das Einnehmen der sogenannnten Ellenbogenvorhalte, einzunehmen. Wenn ich die Beine richtig nach oben bugsiert bekomme, bin ich viel eher in der Lage, diesen Bewegungsteil zu optimieren. Das Anstellen des Unterarms zählt zu den wirklich wichtigen Aspekten der Bewegung!!!! Nimmt man jetzt noch einen Paddle hinzu, der nur minimal größer als die Hand ist, positioniere die Fingerkuppen mit dem vorderen Rand des Paddles abschließend, ist man kaum in der Lage, das Handgelenk abkippen zu lassen, was immer ein Resultat des Absinkens des Ellenbogens ist, wenn man zu tief im Wasser hängt. Paddles-Schwimmen ist nicht nur ein brilliantes Krafttraining, sondern darüber hinaus ein ganz wunderbares Technikmittel. Mit einem Paddle an der Hand stellt man den Unterarm automatisch korrekt an und das ist der Kern des Ganzen!!
Natürlich bringt das Schwimmen mit den Handbrettern auch ein gewisses Verletzungsrisiko mit sich, was man aber durch langsames, kontinuierlich gesteigertes Schwimmen kurzer Intervalle perfekt umgehen kann.

Ein weiteres großes Optimierungspotential liegt im Bereich der Zugfrequenz. Allgemein wird immer wieder gepredigt, dass man mit möglichst wenig Zügen schwimmen sollte. Immer wieder hört man was von 15-17 Zügen/25m. Schaut man sich jedoch Top-Schwimmer und Top-Schwimmer im Triathlon an und schaut sich deren Zugfrequenz an, sieht man, dass das komplett konträr hierzu ist. Grant Hackett, ehemaliger Weltrekordler über 1500m Freistil schwimmt 23 Züge auf 25m. Wie soll es dann ein in der Motorik limitierter Triathlet schaffen, 3800m mit 15-17 Zügen zu schwimmen? Das kann nicht funktionieren. Ausserdem ist durch die übertrieben lange Gleitphase der Atemrhythmus zu lang. Man bekommt schlichtweg zu wenig Sauerstoff ab, was wohl klar als Leistungslimiter anzusehen ist, oder? Der Körper wird beim zu langen Gleiten beschleunigt und dann durch den Wasserwiderstand abgebremst. Dann kommt der nächste Zug und der Körper wird wieder beschleunigt. Dadurch entsteht eine Art “Ruckelbewegung”, also keine gleichförmige Vortriebsgeschwindigkeit wird erzielt. Ausserdem bedarf es zu großer Aktivität der Beine, um dieses lange Gleiten zu erzielen. Jetzt kommen wir wieder zum Zusammenspiel der einzelnen Sportarten, soll heißen, dass ein Zuviel an Beinschlag kontraproduktiv fürs Radfahren und Laufen ist.

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Im Allgemeinen ist die Überwasserphase, also der Anteil der zyklischen Gesamtbewegung, der die Erholungsphase darstellt zu langsam. Die Bewegung ist zu sehr aktiv geführt und kostet zuviel Kraft. Gerade dann, wenn man mit Neopren schwimmt, macht das keinen Sinn, denn das Material des Anzugs wird beim Unterwasserzug vorgedehnt. In der Überwasserphase möchte sich das Neopren gerne in seine ursprüngliche Form zurückziehen. Wenn man nun über Wasser zu langsam von den Bewegungen her ist, arbeitet man gegen das Material und provoziert Schulterschmerzen.
Ein Schleudern der Arme über Wasser bewirkt zudem eine gewisse Dynamik, die sich in schnelleren Schwimmsplits wiederspiegelt.

Gerade für Age-Grouper mit geringem Zeitbudget ist es wichtig, möglichst zielorientiert zu trainieren, also wenig in Nebenlagen und primär im Freistil. Das Schwimmen mit Pullbuoy macht Spaß, man schwimmt schneller (sofern er genug Auftrieb leistet). Wenn man etwas mit Spaß macht, wird man es automatisch auch öfters machen. Wenn man öfters schwimmt, wird man schneller schwimmen, eigentlich eine ganz einfache Rechnung, oder?

Ich empfehle allen Langdistanzlern eine Session/Woche mit 4km Umfang aufwärts. Idealerweise als aerobes Training geplant, also beispielsweise 40x100m mit je 10sec Pause dazwischen. Das schult das Herz-Kreislaufsystem, man bekommt ein gutes Tempogefühl und hat durch die Pause zwischendurch ein Chance, sich auf den korrekten Zug unter Wasser zu konzentrieren.

Etwa 50% des Gesamttrainings sollte hierbei mit Paddles und Pullbuoy absolviert werden.
Baut die schnellen Intervalle zu Beginn des Trainings ein, um das schnelle Starten im Triathlon zu simulieren und gegen Ende der Session die Paddles-Intervalle, um das Stehvermögen für die Distanz zu schulen.

Wie eingangs erwähnt, ist das mein eigener Ansatz, der vielleicht etwas im Gegensatz zu dem steht, was so im Allgemeinen propagiert wird.

Abschließend möchte ich als bottom line mitgeben, dass das Schwimmtraining so simple wie möglich sein sollte. Schwimmprogramme, die man sich nicht im Kopf behalten kann, sind nicht wirklich zielführend. 17m Rückenschwimmen, 24m Faustschwimmen , dann 11,5m Delfin Beine und 8m mit geschlossenen Augen macht einen nicht wirklich zum schnelleren Ironman!
Konzentriert euch auf das Wesentliche und ihr werdet schneller werden!!!!