19. April 2021 Mario Schmidt-Wendling

Der Einsatz des Core Body Temperature-Sensors

Das Thema Hitze ist nicht nur für alle Sportler mit Wettkampfziel Kona oder Tokyo von Relevanz. Dank des Klimawandels haben wir es auch im europäischen Sommer mit zum Teil extrem hohen Temperaturen zu tun. Wenn man jetzt noch die Tatsache auf dem Schirm hat, dass ein sehr großer Anteil der aufgewandten Energie zur Muskelarbeit in Form einer Hitzeentwicklung im Athletenkörper verpufft, erkennt man die Gefahren einer zu hohen Körperkerntemperatur. Auf der anderen Seite bietet ein Training zur Hitzeadaptationen eine effektive Möglichkeit der Leistungssteigerung, Blutplasmavolumen und Hitzeresistenz lassen sich dadurch wunderbar steigern. Manche Trainer (ich sehe das auch so) sehen in der heat adaptation ähnliches Potenzial wie beim Höhentraining. War es bisher nur möglich, die Temperatur im Nachgang nach dem Training oder Wettkampf mittels Fieberthermometer und zu schluckender Thermometerpille, die zudem ein sehr kostenintensives Einweginstrumentarium darstellt, so kann man vom CORE Body Temperature wirklich von einem Gamechanger sprechen. Erstmals ist es möglich, mittels eines Sensors, der am Brustgurt des HF-Messers befestigt wird, in Echtzeit, also live während der Belastung, im Display seines Wahoo, Garmin oder Apple Watch die aktuelle Körperkerntemperatur angezeigt zu bekommen. Da die Technologie noch recht neu ist, stehen wir bzgl. des Einsatzes des CORE Sensors auch erst noch am Anfang der Reise.

Es gibt mittlerweile schon sehr vielversprechende Konzepte und Ansätze zur Nutzung der „neuen“ Metrik Körperkerntemperatur im Sport. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten in erster Linie auch nur gemessen und Daten gesammelt, um Muster, Tendenzen und Rückschlüsse daraus ziehen zu können, um diese dann in einem Trainingskonzept zur Hitzeadaptation zum Einsatz zu bringen. Ich beschäftige mich schon seit mehreren Jahren mit dem Thema Natrium und Hydration im Triathlon, habe mehrere Hundert Tests zur Bestimmung der individuellen Natriumverlustmenge im Schweiß durchgeführt. Das Messen der Körperkerntemperatur ist der Baustein, der mir die ganze Zeit gefehlt hat, um ein Konzept mit dem Titel „beat the heat“ zu erstellen.

Ich möchte an der Stelle die ersten 3 Testreihen vorstellen. Alle Probanden haben im Vorfeld der Tests ihre individuelle Threshold Temperature mittels eines Heat ramp up-Test bestimmt. Hierbei wird der Temperaturverlauf, die Herzfrequenz und die Leistung in Watt gemessen und ergibt dann einen Punkt, an dem die Körperkerntemperatur (KKT) kritisch zu werden scheint.

1. Testreihe
Der erste Test wurde ohne konkrete Vorgaben gemacht, es galt erstmal nur Daten zu sammeln. Hierzu fuhren 4 Probanden zu Hause auf einem Wahoo KICKR unterschiedliche Programme mit komplett unterschiedlichen Intensitäten. Es wurden keine Vorgaben bzgl. der Raumumgebungstemperatur oder der Einstellung des genutzten Wahoo HEADWIND Ventilators gemacht. Die subjektive Belastung wurde angelehnt an die Borg Skala mit 1-10, wobei 1 für leicht und 10 für maximal steht, eingeschätzt. Die Verlustmenge an Schweiß wurde über Messen des Körpergewichts ermittelt, die aufgenommene Flüssigkeitsmenge ebenfalls festgehalten.

Conclusion:
Es konnten keine eindeutigen Muster erkannt werden.

2. Testreihe
Beim zweiten Test wurden die Vorgaben schon etwas konkreter erstellt. Die Raumtemperatur wurde auf mind. 25 Grad Celsius (die Luftfeuchtigkeit wurde leider nicht gemessen) festgelegt, der ziemlich geniale Wahoo HEADWIND kam nicht mehr zum Einsatz, eine Flüssigkeitsaufnahme während des Tests wurde „verboten“. Die Probanden sollten je 2 Tests mit einer definierten Leistung in Watt (82, 84 und 86% der FTP) fahren. Die Vorbelastungen vor den Testtagen wurden weitestgehend standardisiert, die Tests fanden 1x pro Woche statt. Die ersten 5min jedes Test wurden mit 68-70% der FTP gefahren, danach dann direkt auf die geforderten Watt erhöht. Dabei wurde jeweils der erste Test ohne vorherige Aufnahme von Koffein, der zweite Test dann mit Koffein in Form eines Sponser Aktivator mit 200mg Koffein 45min vor Testbeginn unterstützt. Die RPE wurde differenzierter, aber dennoch von 1-10 erfasst. Die Sportler führten ein randomisiertes Sodium Loading in Form von 750mg Natrium auf 500ml in den letzten 120min vor Testbeginn durch. Die beiden weiblichen Sportlerinnen nutzen Kontrazeptiva, so dass die Einflüsse des Menstruationszyklus schätzungsweise weniger gravierend ausfallen dürften. Die Zeit bis Erreichen der individuellen Threshold Temperature wurde genau wie die Schweißverlustmenge festgehalten.

Conclusion:
Die Einnahme des Koffein-Boosters scheint das Erreichen der kritischen Temperatur zu einem früheren Zeitpunkt zu beeinflussen. Ein kurzfristiges Sodium Loading führt offensichtlich zu besserem Schwitzen, die Schwitzmenge ist tendenziell höher und die „Abbruchtemperatur“ wurde später erreicht. Interessant ist der Punkt, dass über den Zeitraum von 6 Wochen offensichtlich bereits schon eine Form der Hitzeanpassung stattgefunden hat, denn bei intensiverer (86% FTP) Belastung hat sich teilweise die Zeit bis zum Erreichen der Threshold Tempeature verlängert.

3. Testreihe
Beim 3. Durchlauf wurde wieder 1x pro Woche ein Test durchgeführt. Dabei wurde 14tägig die Intensität wie beim 2. Test ebenfalls erhöht, das Warm up bestand wie im zweiten Test ebenfalls aus 5min mit 68-70% der FTP. Die Raumtemperatur wurde noch enger auf 26,0-27,0 Grad Celsius eingegrenzt, das Nutzen eines Ventilators war nicht gestattet. Bei jeder „Belastungsstufe“ wurde im Wochenwechsel ein Test mit Sodium Loading, ein Test ohne entsprechende Natriumzufuhr im Vorfeld absolviert, auf Koffein wurde in den letzten vier Stunden vor Testbeginn verzichtet. Sweat Rate und RPE wurden wieder festgehalten. Der Fokus dieser Testreihe lag auf der Beobachtung der Herzfrequenz. Hierzu wurde in Ruhe unmittelbar vor Trainingsbeginn, nach 10 und 30min die entsprechende Herzfrequenz notiert. Mit Erreichen der 30min-Marke wurde der Test abrupt beendet und die Probanden mussten für 10 weitere Minuten auf einem Stuhl bei geicher Raumtemperatur möglichst ruhig zu sitzen. 10min nach Ende der Einheit wurde ebenfalls HF und Körperkerntemperatur gemessen. Während dieser 10min durfte wie während des gesamten 2. und 3. Tests keine Flüssigkeit von außen aufgenommen werden.

Conclusion:
Auch im 3. Test scheint sich darzustellen, dass eine große Dosis Natrium im Vorfeld positiven Einfluss auf Herzfrequenz und Anstieg der Körperkerntemperatur hat. Ein Gewöhnungseffekt an die Hitze zeichnet sich ebenfalls leicht ab, wobei es zur Hitzeanpassung eigentlich mehr als 1 Session pro Woche bzw. auch das Anwenden passiver Hitze in Form von Sauna oder Warmwassserimmersion bräuchte.

Fazit:
Wie eingangs erwähnt, steckt der praktikable Nutzen des COREs noch etwas in den Kinderschuhen. Die 3 Reihen zeigen aber schon eine erste Tendenz, welche Faktoren ( Intensität, Natrium, Raumtemperatur) Einfluß auf das Ansteigen der Körperkerntemperatur haben könnten. Eine weitere Testreihe mit konkreten Vorgaben zur Hitzeadaptation hat meinen bisherigen Kenntnisstand zu diesem Thema bestätigt, die Ergebnisse möchte ich an dieser Stelle nicht veröffentlichen, das bleibt vorerst noch Betriebsgeheimnis.
Happy sweating!