7. September 2021 Mario Schmidt-Wendling

Alles getan, am Ende doch nicht dafür belohnt worden.

Ich verneige mich in großem Respekt vor Samuel Hürzelers Leistung und seiner Einstellung zum Sport. Der Ironman Thun war als großes Highlight des Jahres gedacht, wir haben im Vorfeld in Sachen Training alle Register gezogen, Heat adaptation, Aerotest, Höhentraining usw. in unsere Planungen bedacht. Ich habe in 17 Jahren als Coach selten einen Sportler mit solch bedingungslosem Einsatz und wirklich hochprofessioneller Einstellung zu seinem Beruf als Profi-Athlet erleben können. Nach dem 9. Platz beim Ironman Tulsa und dem 7. Sieg beim Inferno Triathlon haben wir im Training an allen Stellschrauben gedreht, um mit einer weiteren Top-Leistung beim Ironman Switzerland, quasi in Sämis Wohnzimmer, aufzuwarten.

(photo credit: Janosch Abel)

Das Schwimmen war leider mit 3000m doch deutlich zu kurz, es hat sich aber dennoch recht schnell eine Spitzengruppe gebildet, in der Sämi als 2. aus dem Thuner See gestiegen ist. In dieser Konstellation ging es zum Radfahren. Wir haben vorab mehrere Taktikmöglichkeiten für das Rennen durchgesprochen. Relativ früh im Rennen konnte er erste Akzente und Attacken setzen, seine Ortskenntnis ausspielen und das Rennen anführen. Bis dahin lief alles genau nach Plan.


(photo credit: Janosch Abel)

Doch dann wurde all das durch ein Mechanical am Rad zerstört. Die Bremse am Hinterrad hat sich, warum auch immer verbogen, so dass die Hydraulikleitung seiner Bremse samt Bremse an der Scheibe geschliffen hat.

Er konnte diesen Schaden nicht beheben, ein neutraler Materialwagen war entgegengesetzt zur Ankündigung im Pro-Race-Meeting nicht aufzufinden. Also hat Sämi kurzerhand entschlossen, das Rennen dennoch irgendwie weiter durchzuziehen. Die Spitzengruppe hatte er bereits verloren, die nachfolgende Gruppe war noch lang nicht in Sicht, so dass er irgendwo dazwischen alleine auf weiter Flur und mit schleifender Bremse die 180km mit >2000hm immer noch in 4:33, aber mit 15min Rückstand auf die Führenden beendete. Als Coach hab ich kurzfristig darüber nachgedacht, ihm ein DNF nahezulegen, um Körner für ein weiteres potenzielles Langdistanzrennen in 2021 zu sparen. Ich hab den Gedanken aber relativ schnell wieder verworfen, da ihm dieses Rennen wirklich sehr viel bedeutet und gerade auch, weil die Laufform sehr stark im Vorfeld gewesen ist. Seine gesamte Support-Crew war der gleichen Meinung, also haben wir ihn richtig angepeitscht, um mit einem schnellen Marathon noch Plätze gut zu machen. Der Plan ging auf, mit einer brachialen Gewaltleistung gemäß dem Prinzip „whatever it takes“ hat er sich Platz um Platz nach vorne gearbeitet und wurde mit neuer persönlicher Marathon-Bestzeit (2:47) und Platz 7 belohnt.

(photo credit: Janosch Abel)

Ich bewundere ihn wirklich sehr für seinen unerschütterlichen Willen, seine Einstellung zum Sport („it’s all about racing“) und seine enorme Leidensfähigkeit.
Die Leistung war grandios, eine Podiumsplatzierung wäre an einem „normalen“ Tag in Reichweite bzw. sehr realistisch gewesen, wobei Jan van Berkel und Joe Skipper läuferisch an diesem Tag in ihrer eigenen Liga unterwegs gewesen sind.

Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass die Leistung wirklich gepasst hat, auch wenn die Ergebnisliste das nicht wirklich widerspiegeln kann.

True sportsmanship hat der verdiente Sieger Jan van Berkel gezeigt, wie man hier sehen kann.

(Quelle: Instagram)

sisu bedeutet in der wörtlichen Übersetzung Beharrlichkeit in ausweglosen Situationen. Wenn ein Sportler das am Sonntag verkörpert hat und wirklich die “best version of you” gewesen ist, dann Sämi!!

Danke, dass ich daran teilhaben durfte!