7. Juli 2023 Mario Schmidt-Wendling

Beobachtungen rund um Challenge Roth und Ironman Frankfurt

Der europäische Triathlonsommer ist in vollem Gange, es geht im Wochentakt Schlag auf Schlag.
Die beiden größten Rennen Challenge Roth und Ironman Frankfurt sind bereits rum. Zeit also für ein erstes Resümee bzw. meine Beobachtungen als Coach an der Strecke.

Challenge Roth wird immer wieder als das beste Rennen weltweit dargestellt. Was die Zuschauermenge, Begeisterung und Anzahl der freiwilligen Helfer angeht, so kann man dem auch ganz sicher nicht widersprechen. Wer als Zuschauer am Tag danach keinen Bock auf Triathlon verspürt, dem ist eigentlich nicht mehr wirklich zu helfen. Wo Licht ist, ist leider auch immer Schatten und den gab es auch in diesem Jahr in Roth. Die große Menge an Teilnehmern bedarf ein Startkonzept mit unterschiedlichen Startgruppen, so wird zwischen 6.30 und 9.00 gestartet, was es nahezu unmöglich für einen außenstehenden Coach macht, alle Sportler sicher während des Rennens gesehen zu haben. Tut immer „weh“, wenn man billigend in Kauf nehmen muss, Athleten, die man monatelang auf den Tag X hintrainiert hat, dann nicht sehen kann, weil man den Standort wechseln muss. Hinter der am Wettkampfmorgen gemessenen Wassertemperatur würde ich mal ein dickes Fragezeichen setzen wollen, diese erscheint mir doch etwas zu hoch und ich zweifle etwas an der Neo-Erlaubnis für die Profis. Das Radfahren im Profi-Bereich würde ich als sehr fair bezeichnen, die Strategie, die Anzahl der Motorräder wegzustreichen, scheint aufgegangen zu sein. Was sich jedoch etwas weiter hinten im Rennen abgespielt hat, war dann schon eher IM Barcelona-mäßig. 20-30 Mann-Gruppen mit 3-6m Abstand, keine bzw. kaum Kampfrichter in Sicht hinterlassen einen etwas bitteren Beigeschmack. Eine recht große Zahl hat mir nach dem Rennen rückgemeldet, dass es in der 2. Radrunde quasi nicht mehr möglich gewesen wäre, wirklich dauerhaft sauber zu fahren. Für mich bleibt es immer wieder ein Wunder, dass es bisher noch keine schweren Stürze gegeben hat, wenn sich die Männer-Profis in ihrer zweiten Radrunde durch das Feld der Age Grouper pflügen müssen. Geradezu hanebüchen wird es, wenn sich eine „Promi-Influencer-Staffel“ nicht an Regeln hält, gnadenlos auf der Radstrecke Insta-Live-Videos gestreamt, Fahrbahnmitte überfahren und andere Teilnehmer rechts überholt werden. Nach der Sicherheitsdiskussion nach dem Ironman Hamburg sollten die Teilnehmer dieser Staffel wirklich mit einer drakonischeren Strafe belegt werden. Apropos Sicherheit, mir wurde von einigen Teilnehmern rückgemeldet, dass es immer wieder Situationen gegeben habe, in denen im fließenden Verkehr und teilweise auch als Gegenverkehr Autos und Traktoren auf der Strecke gewesen seien. Bin mir nicht wirklich sicher, ob das so gedacht gewesen ist. Die Radstrecke aller eingesehenen GPS-Files weist 177,4km auf. Die Laufstrecke gilt als sehr schnell, der Anstieg nach Büchenbach kann man als Scharfrichter bezeichnen, da hat es einigen Sportlern „den Stecker gezogen“. In Roth gibt es die Besonderheit, an jeder Verpflegungsstation per Eigenverpflegung für die gecoachten Athleten da zu sein. Leider hat das zur Folge, dass bei den Profis gefühlt mehr Begleitfahrräder als Läufer unterwegs sind. Wenn diese Räder am Lenker montierte Kühlboxen aufweisen und Sportler nicht nur AN, sondern auch ZWISCHEN den Aid stations gekühlt und versorgt werden, Betreuer regelrecht aus dem Gebüsch springen, um ihre Sportler zwischendurch zu versorgen, frag ich mich schon, was das am Ende eigentlich alles noch soll. Warum werden Prototypen-Schuhe beim Laufen erlaubt, Trinkblasen unter dem Einteiler beim Radfahren nicht und warum weist eine Strecke mit 3 Wendepunkten gemittelt nur 41,4km auf. Ich verstehe schon, dass man als Veranstalter ein schnelles Rennen haben möchte und ich fand das Spektakel auch geil, aber muss das um jeden Preis sein bzw. was sind die erzielten Zeiten am Ende überhaupt wert, wenn die Strecken zu kurz und die Regelauslegung etwas fragwürdig ist?
Generell ist die Leistungsentwicklung im Profi- als auch Altersklassenbereich brutal.
Wenn man sich die Anzahl der Finisher sub9 anschaut, wird das recht deutlich:
2023: 117 Männer
2022: 72 Männer
2019: 58 Männer
2018: 33 Männer

Ironman Frankfurt
Ironman schafft es leider immer mehr, das bis dato zweitwichtigste Rennen nach dem Ironman Hawaii sukzessive zu zerstören. Die Ironman Expo ist im Vergleich zur Messe in Roth ein Witz. Was früher immer eine Art Treffpunkt in den Tagen vor dem Rennen gewesen ist, ist heute eher trostlos. Schade, dass Ironman da offensichtlich eher nur offizielle Partner als Messeaussteller zulässt. Die Trennung der Profi-Felder betrachte ich kritisch. Ich habe in all den Jahren noch nie so wenige Zuschauer am Morgen am Langener Waldsee gesehen. Die Profi-Männer scheinen offensichtlich doch eher „zu ziehen“ als das durchaus sehr gute Starterfeld der Profi-Damen, deren Rennen wirklich spannend gewesen ist. In den Tagen vor der Veranstaltung wurde es kühler und etwas regnerisch, so dass Neopren für die Age Grouper erlaubt wurden. Die weiblichen Pros durften diesen nicht nutzen. Die Luftemperatur am Wettkampfmorgen betrug ca. 14 Grad. Generell kann man die Neo-Regelung hinterfragen, denn die Profi-Sportler weisen i.d.R. ja geringere Körperfettwerte auf als die Altersklassensportler. Müsste die Regelung dann nicht irgendwie anders sein bzw. sollte diese nicht abgeschafft werden. In 2017 gab es eine ähnliche Konstellation und Athletinnen wie Daniela Ryf mussten das Rennen damals völlig unterkühlt beenden. Ich frage mich, warum die Coaches und Betreuer nicht aus diesem Rennen gelernt haben und das Einschwimmen nicht „verboten“ haben. Im nassen Rennanzug minutenlang bei Wind und niedrigen Temperaturen am Ufer zu stehen, wirkt auf mich nicht so optimal. Ein ausgefallenes Einschwimmen wiegt in meinen Augen deutlich weniger schwer als völlig ausgekühlt zu sein, bevor der Startschuss überhaupt erfolgt.

Der Vergleich Roth und Frankfurt hinkt generell, da in einer Großstadt der Ironman als eine von ganz vielen Großveranstaltungen betrachtet werden kann, während der Challenge das große Jahreshighlight im gesamten Landkreis Roth darstellt. Demnach ist die Begeisterung an der Strecke auch anders zu bewerten. Wenn man aber früh am Morgen nach Bergen Enkheim zum ersten Anstieg auf dem Rad kommt, sich dort max. 20 Zuschauer zusammenfinden, dann stimmt mich das schon etwas nachdenklich. Im Rennverlauf wurde es zwar an der Radstrecke besser, aber um Klassen weniger gut besucht als in den Anfangsjahren der Veranstaltung. Auch in Frankfurt, gab es, analog zu Roth, eine Windschattenproblematik, die sich aber in meiner Wahrnehmung weniger heftig dargestellt hat. Ich hab später an der Laufstrecke mit Lothar Leder diskutiert und wir sind beide der Meinung, dass die Motorräder am Ende der ersten Radrunde das Profi-Rennen der Frauen deutlich beeinflusst haben als es zum Zusammenschluss der beiden ersten Gruppen gekommen ist. Der angekündigte Regulator auf dem Motorrad, der die anderen Motorradfahrer leiten sollte, hat in diesem Moment eher geschlafen. Auch hier besteht noch großer Aufholbedarf im Vergleich zum Radsport!
Die gemittelte Distanz liegt bei 182,8km.
Alle sprechen vom Solarer Berg in Roth, der stimmungstechnisch wahrscheinlich einzigartig weltweit ist, aber von der etwas drögen Stimmung beim Laufen in Roth wird nicht gesprochen. Die Tatsache, dass man die Läufer in Frankfurt 4 Runden lang sehen kann, macht es etwas übersichtlicher, kompakter und deutlich mehr stimmungsgeladen. Beim Laufen hat Frankfurt da die Nase etwas vorne, zumal es wirklich echte 42,2km gemittelt aus allen Files sind.
Der Rolldown für Nizza und Kona war eher eine Farce. Gingen die Plätze für die Damen nach Kona noch halbwegs normal weg, so war das Procedere für Nizza extrem langatmig. Beim Einlass zur Siegerehrung wurde direkt vorselektiert und man musste sich festlegen, ob man überhaupt den Slot annehmen würde. Dennoch wurde dann später in jeder Altersklasse bis ganz nach unten jeder Sportler aufgerufen. Auf meinen Hinweis doch einfach zu fragen, wer von den Anwesenden einen Slot haben möchte, wurde geantwortet, man müsse den normalen Rolldown-Prozess aufrechthalten. Klar kann man hinterfragen, ob der 189. der AK 40 noch als WM-Qualifikant zu definieren ist, aber Vorwürfe kann man den Sportler eher nicht machen. Angebot und Nachfrage regeln den Markt, so auch hier. Man müsste da eher die „Schuld“ beim Veranstalter suchen und ihn befragen, warum er es nicht schafft, die Veranstaltung so attraktiv zu bewerben, dass es einen Hype darum überhaupt gibt. Ich finde es mittlerweile nicht mehr verwerflich, wenn auch der 189. der AK 40 den Slot annimmt, wenn er diesen angeboten bekommt und über die notwendige finanziellen Mittel verfügt.

Fazit:
Beide Rennen sind immer noch geil, allerdings ist nicht immer alles Gold, was glänzt.