Was ist das Problem mit Strava-Segmenten?
Strava-Segmente sind kurze Abschnitte mit Leistungsvergleichen. Sie belohnen maximale oder sehr hohe Intensitäten über Sekunden bis wenige Minuten. Die Probleme entstehen, wenn:
• Segmentjagd spontan statt als geplante, strukturierte Einheit auftritt.
• Die Intensität immer wieder deutlich über die geplanten Trainingszonen hinausgeht.
• Erholung, Periodisierung und langfristige Ziele (z. B. Ironman-Pace, Wettkampfperiode) vernachlässigt werden.
Segment-Sprints sind großartig für Motivation und kurzfristige Leistungsindikatoren — sie passen aber oft nicht zur Trainingssteuerung eines Triathleten, der auf Ausdauer, Ökonomie und Schwellenleistung baut.
Physiologie: Warum häufige, unstrukturierte Sprints schaden können
1. Verschiebung der energetischen Belastung
Kurze, hohe Anstrengungen erhöhen den Anteil der anaeroben Glykolyse. Das bedeutet: mehr schnelle ATP-Bildung über Kohlenhydratabbau → mehr Laktatproduktion. Wiederholte anaerobe Spitzenlasten trainieren den Körper, schneller auf anaerobe Energiepfade zurückzugreifen.
2. Anpassungen auf Zellebene
Regelmäßige, wiederholte Sprints fördern enzymatische und muskelphysiologische Veränderungen wie:
• Erhöhte Aktivität von Glykolyse-Enzymen (z. B. PFK, LDH).
• Relative Betonung schneller Muskelfasern (Typ IIa/IIx) gegenüber langsamen (Typ I).
• Weniger Signal für mitochondriale Biogenese bei gleichzeitigem Fokus auf angepasste, schnelle Energiebereitstellung.
Diese Änderungen können die aerobe Effizienz senken — man produziert bei submaximaler Belastung mehr Laktat und fühlt sich schneller erschöpft.
3. Hormone, Ermüdung, Regeneration
Häufige Maximalsprints → höhere akute Ausschüttung von Katecholaminen und Cortisol → längere Wiederherstellungszeiten. Chronisch erhöhtes Stressniveau wiederum stört Regeneration, Schlaf und Trainingsanpassung. Bewusste eingeplante kurze und explosive Belastungen (MDL, STL oder Testo-Boost) können die endokrine “Schieflage” gerade rücken, sprich die Produktion körpereigenen Testosterons steigern, allerdings sollten diese mit Bedacht bzgl. der Anzahl gewählt werden.
4. V̇Lamax: was ist das und warum ist es wichtig?
Maximale Laktatbildungsrate (Vlamax) ist ein Maß der maximalen Laktatproduktionsrate — vereinfacht: wie schnell die Muskulatur Laktat erzeugen kann, wenn sie stark glykolytisch arbeitet.
• Eine höhere V̇Lamax bedeutet: bei einer gegebenen Leistung steigt die Laktatkonzentration schneller und stärker an. Das reduziert die Fähigkeit, eine hohe Leistung über längere Zeit zu halten (z. B. etwaige Rad-Split-Pace im Triathlon).
• Ein niedrigere V̇Lamax hilft, die laktat-abhängige Ermüdung zu verzögern und die Tempo-Haltbarkeit bei Ausdauerleistungen zu verbessern.
Regelmäßige Sprint-/Segmentjagden sind ein starker Stimulus für die Erhöhung von V̇Lamax — genau das Gegenteil dessen, was viele Triathleten (v. a. für längere Distanzen) brauchen.
Indirekt kann man anführen, dass der Kohlenhydratverbrauch an die Vlamax gekoppelt ist. Einfach gesprochen: Je höher die Vlamax, desto höher der Verbrauch. Da die Glykogenspeicher jedoch limitiert ist, sollte man möglichst darauf achten, sparsam mit dieser Energiequelle umzugehen.
Konkrete negative Auswirkungen auf Triathlon-Leistung
• Weniger Substanz für die Wettkampfpacer: Bei höherer V̇Lamax erreicht man die anaerobe Schwelle früher — die Watt/Tempo-Haltbarkeit sinkt.
• Tempo, das früher noch «komfortabel» war, wird “metabolisch teurer”; das Renntempo wird instabil.
• Erhöhte Erschöpfung nach Rennen/Training: Mehr glykogenverbrauchende Sprints → früherer Energiemangel in langen Einheiten.
• Störungen der Periodisierung: Ungeplante maximale Belastungen ruinieren Erholungsfenster und das Intended-Stimulus-/Superkompensationsprinzip.
• Höheres Verletzungs- und Überlastungsrisiko durch häufiger auftretende, unspezifische, hochintensive Spitzen.
Für welche Triathleten ist eine höhere V̇Lamax nützlich — und für wen schädlich?
• Kurzdistanz/Sprinttriathlon / sehr kurzes Zeitfahren: Eine höhere V̇Lamax kann vorteilhaft sein, weil explosive Leistung/hohe Endgeschwindigkeit benötigt wird.
• Olympische / Mitteldistanz / Langdistanz / Ironman: Hier dominiert aerobes Potenzial, sprich die ökonomische Effizienz. Eine zu hohe V̇Lamax ist in der Regel nachteilig.
Deshalb ist Kontext wichtig: Segmentjagd kann für einen Sprinter nützlich sein, für einen Ironman-Athleten schädlich.
Was kann man praktisch tun? Tipps gegen die Segment-Falle
Sofortmaßnahmen (Verhalten)
• Notifications aus / Segmente verbergen: Entferne Push-Benachrichtigungen oder deaktiviere Segment-Leaderboard in Strava.
• Privatroute / kein Live-Upload: Temporär Upload/Live-Segments aussetzen, wenn die Einheit nicht als Maximaltest gedacht ist.
Trainingssteuerung
• Strukturierte Einheiten fahren, nicht Zufalls-Sprints. Halte dich an die geplanten Vorgaben der Trainingseinheit
• Weniger „All-out“ Sprints, mehr gezielte Intervalle: Wenn du Anaerobic Power brauchst, plane dafür separate, begrenzte Sessions (z. B. 6×20–30 s Sprints mit langer Pause), nicht zufällig beim Training.
Fazit — Die Balance finden
Strava-Segmente sind ein großartiges Motivationsinstrument. Für TriathletInnen (insbesondere auf längeren Distanzen) wird es problematisch, wenn die Jagd nach Segment-PRs systematisch ungeplante, sehr intensive Belastungen erzeugt. Physiologisch führen häufige All-outs zu einer Verschiebung hin zu schneller Glykolyse, steigender V̇Lamax, geringerem Tempo-Durchhaltevermögen und schlechterer Regeneration — genau die Dinge, die ein Langstreckler eigentlich vermeiden sollte.
Kurz: Motivation ja — Kontrolle zuerst. Nutze Segmente bewusst als gelegentlichen Leistungs-Check oder für gezielte Sprint-Sessions, aber lass sie nicht die Trainingsplanung übernehmen. Wenn du Wettkampfzielen näher kommen willst, trainiere nach Plan und manage die V̇Lamax durch passende Belastungssteuerung und periodisierte KH-Aufnahme.
In meiner Welt trainiert man, um Wettkampfleistungen zu produzieren und NICHT um im Training Bestleistungen zu zeigen!

