12. November 2025 Mario Schmidt-Wendling

Rote Beete im Triathlon – Hype oder echter Leistungsfaktor?

Von der Saftpresse in die Wechselzone: Warum der Rote-Beete-Hype im Triathlon oft mehr Marketing als messbarer Nutzen ist.

Der vermeintliche Nitrat-Kick

Rote Beete hat in den letzten Jahren Karriere gemacht – nicht auf dem Teller, sondern in der Trinkflasche. Der hohe Nitratgehalt soll die Sauerstoffeffizienz der Muskulatur verbessern, indem im Körper vermehrt Stickstoffmonoxid (NO) gebildet wird.

NO wirkt gefäßerweiternd, die Durchblutung verbessert sich, die Muskeln sollen länger leistungsfähig bleiben.

So weit die Theorie, doch die Praxis im Triathlon ist deutlich komplizierter – und der wissenschaftliche Beweis für eine spürbare Leistungssteigerung steht bis heute auf wackeligen Beinen.

„Was im Labor funktioniert, muss im Wettkampf noch lange nicht wirken.“

Dr. Andrew Jones, University of Exeter (2014)

Kurzdistanz: Geringer Effekt, reales Risiko

Vor allem Sprint- und Olympische-Distanz-Athleten hoffen auf den schnellen Energieschub. Einige Laborstudien zeigen tatsächlich, dass Rote Beete den Sauerstoffverbrauch geringfügig senken kann (Bailey et al., 2009).

In der Praxis bleibt dieser Effekt jedoch kaum messbar – insbesondere bei gut trainierten Athleten, deren Sauerstoffverwertung ohnehin sehr effizient ist.

Mehrere Untersuchungen an leistungsorientierten Triathleten und Radfahrern zeigen keinen signifikanten Vorteil durch Nitrat-Supplementierung (Boorsma et al., 2014; Wilkerson et al., 2012).

Dafür treten Magen-Darm-Beschwerden umso häufiger auf: Übelkeit, Blähungen oder Krämpfe sind keine Seltenheit, vor allem nach konzentrierten „Beet Shots“.

Praxis-Tipp:

Wer Rote Beete testen möchte, sollte sie nur im Training ausprobieren – nie am Wettkampftag. Die individuelle Verträglichkeit variiert stark.

Mitteldistanz: Theoretisch interessant – praktisch problematisch

Auf der 70.3-Distanz könnte ein minimaler Vorteil in der Energieeffizienz theoretisch helfen, Ermüdung hinauszuzögern.

Doch die Realität im Rennen sieht anders aus: Viele Triathleten nehmen während der Belastung Gels, Sportgetränke und feste Nahrung zu sich. In Kombination mit Rote-Beete-Saft ist der Verdauungstrakt schnell überfordert.

Studien zeigen, dass Rote Beete die Magenentleerung verzögern kann – ein Problem, das sich über Stunden verstärkt (Cermak et al., 2012). Übelkeit oder Krämpfe sind dann oft das Resultat.

Langdistanz: Kein Platz für Experimente

Im Ironman zählt alles – nur kein Experimente.

Hier dominieren Energiezufuhr, Flüssigkeitshaushalt und Magenstabilität die Leistungsfähigkeit. Ein minimaler theoretischer NO-Effekt wird durch eine gestörte Verdauung schnell zerstört

Langzeitstudien zu Nitrat-Supplementierung über viele Stunden fehlen nahezu vollständig.

Die Fachliteratur spricht daher eine klare Sprache: Kein belegbarer Nutzen, aber ein reales Risiko für gastrointestinale Probleme. (Hoon et al., 2014; Peeling et al., 2018)

Viel Hype, wenig Evidenz

Der Großteil der verfügbaren Forschung wurde mit untrainierten Probanden durchgeführt.

Hochtrainierte Athleten reagieren deutlich weniger auf Nitratgaben – ihre Muskulatur ist ohnehin optimal an die Sauerstoffverwertung angepasst (Porcelli et al., 2015).

„Je besser ein Athlet trainiert ist, desto kleiner fällt der potenzielle Nutzen aus.“

— Dr. Silvia Porcelli, Universität Mailand (2015)

Rote Beete ist interessant – aber kein Wundermittel.

Die wissenschaftliche Beweislage ist inkonsistent, die Nebenwirkungen real. Selbst auf der Sprintdistanz bleibt der Nutzen zweifelhaft, während das Risiko von Magenproblemen spürbar ist.

Wer mit Rote Beete experimentieren möchte, sollte das vorsichtig und frühzeitig in der Trainingsphase tun.

Im Wettkampf gilt: Vertraue lieber auf bewährte Strategien als auf rote Wundertränke.

Literaturverzeichnis

Bailey, S. J., Winyard, P., Vanhatalo, A., Blackwell, J. R., Dimenna, F. J., Wilkerson, D. P., Tarr, J., Benjamin, N., & Jones, A. M. (2009). Dietary nitrate supplementation reduces the O₂ cost of low-intensity exercise and enhances tolerance to high-intensity exercise in humans. Journal of Applied Physiology, 107(4), 1144–1155. https://doi.org/10.1152/japplphysiol.00722.2009

Boorsma, R. K., Whitfield, J., Spriet, L. L. (2014). The effect of nitrate supplementation on 10-km time trial performance in trained cyclists. International Journal of Sport Nutrition and Exercise Metabolism, 24(6), 616–624. https://doi.org/10.1123/ijsnem.2013-0207

Cermak, N. M., Gibala, M. J., & van Loon, L. J. C. (2012). No improvement in endurance performance after a single dose of beetroot juice in highly trained cyclists. International Journal of Sport Nutrition and Exercise Metabolism, 22(6), 470–478. https://doi.org/10.1123/ijsnem.22.6.470

Christensen, P. M., & Nybo, L. (2013). Influence of nitrate supplementation on VO₂ kinetics and endurance of elite athletes. European Journal of Applied Physiology, 113(8), 1785–1795. https://doi.org/10.1007/s00421-013-2607-2

Hoon, M. W., Johnson, N. A., Chapman, P. G., & Burke, L. M. (2014). The effect of nitrate supplementation on exercise performance in humans: A systematic review and meta-analysis. International Journal of Sport Nutrition and Exercise Metabolism, 24(5), 416–431. https://doi.org/10.1123/ijsnem.2013-0177

Jones, A. M. (2014). Dietary nitrate supplementation and exercise performance. Sports Medicine, 44(Suppl 1), S35–S45. https://doi.org/10.1007/s40279-014-0149-y

Peeling, P., Cox, G. R., Bullock, N., & Burke, L. M. (2018). Exercise and nutrition interactions: Beetroot juice and performance. Journal of the International Society of Sports Nutrition, 15(1), 27. https://doi.org/10.1186/s12970-018-0234-9

Porcelli, S., Ramaglia, M., Bellistri, G., Pavei, G., Pugliese, L., Montorsi, M., Rasica, L., & Marzorati, M. (2015). Effects of a short-term high-nitrate diet on exercise performance in highly trained athletes. Nitric Oxide, 48, 10–16. https://doi.org/10.1016/j.niox.2014.10.003

Wilkerson, D. P., Hayward, G. M., Bailey, S. J., Vanhatalo, A., Blackwell, J. R., & Jones, A. M. (2012). Influence of dietary nitrate supplementation on tolerance to high-intensity exercise in humans. Journal of Applied Physiology, 113(4), 736–742. https://doi.org/10.1152/japplphysiol.00354.2012