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Der sisu-training Blog

Slow motion- Aufnahmen Frankfurt Marathon

Ich hab im Rahmen des Frankfurt Marathons mal eine ganze Reihe von Aufnahmen im Tempobereich 2.20-2.32h gemacht und bin immer noch sichtlich erstaunt, wie schnell doch auch mit teilweise grottiger Lauftechnik gerannt werden kann. Ich hab die Aufnahmen bewusst bei km 36, also in einer Phase fortgeschrittener Ermüdung gemacht, um sich manifestierende Fehler besser zu erkennen. Es gibt wahrscheinlich kein Thema, dass so kontrovers diskutiert werden kann, wie Mittelfussaufsatz vs. Fersenlauftechnik. In den Zeitlupensequenzen kann man jedoch sehr gut erkennen, welche Kräfte auf den Körper auftreffen, wenn der Fuss-Aufsatz zu weiter vor dem Körperschwerpunkt, also mit gestrecktem Bein und über die Ferse erfolgt. Dieser Impact hat eine deutlich sichtbar bremsende Wirkung und äußert sich bei einigen Läufern durch eine aufwendige Armarbeit, um diese Fehlbewegung wieder zu korrigieren. Die Läufer, die den Fuß primär unter dem Körperschwerpunkt und mit dem Mittelfuss aufsetzen, laufen automatisch mit höherer Schrittfrequenz und versuchen viel weniger Rotationsbewegungen im Oberkörper. Leider kann man selbst in diesem Tempobereich der Top-Frauen und starken Amateur-Läufer immer noch beobachten, dass es immer noch Defizite im Athletik-Bereich zu geben scheint. Das Phänomen der “sitzende Hüfte” hätte ich in dieser Häufigkeit bei solchen Spitzenläufern eigentlich nicht in dieser Dichte erwartet.

Conclusion: auch mit bescheidener Technik kann man offensichtlich sehr schnell laufen. Stellt sich für mich als Trainer immer wieder die Frage, ob man in solchen Fällen mit aller Gewalt die Technik umstellen oder das Prinzip “never change a running system” walten lassen sollte. Schwierisch Situation!

Seht selbst!
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Leistungsentwicklung am Beispiel einer Profiathletin

Der zurückliegende Sieg von Julia Bohn beim KMO-Triathlon in Madrid hat mich mal dazu gebracht, ihren Werdegang als Athletin näher zu beleuchten. Ähnliche Leistungssteigerungen hab ich in ähnlicher Form zigfach auch im Age-Group-Bereich erleben können, die Anzahl der Top-Platzierungen sind jedoch so zahlreich, dass sie eine eigene Sprache sprechen.

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Ich arbeite seit Ende 2010 mit Julia nun zusammen, den grössten Schritt hat sie seit dieser Zeit im läuferischen Bereich vollzogen. Ihr beste IM-Marathonzeit lag bei ca 3.50, aktuell sind wir bei 3.18 angelangt. Nicht nur, dass sie schneller geworden ist, sondern grosses Vertrauen in eben diese Lauffähigkeit entwickelt hat. Das Schwimmen hat sich weiterhin stabilisiert, so dass sie zwischen 57-62min konstant schwimmt. Das Radfahren ist ebenfalls auf ordentlichem Niveau geblieben, wird für 2016 aber die grösste Stellschraube darstellen.

Im Zuge unserer Zusammenarbeit haben wir die Art der Rennen etwas verändert. Weg von den grossen Rennen, hin zu den vermeintlich kleineren Veranstaltungen. Dort war zu erwarten, dass sie entsprechend weiter in der Ergebnisliste nach oben rutscht und somit auch in den Genuss des Preisgeldes kommt. Die Rechnung ist voll aufgegangen, denn die Summe ihrer Preisgelder haben in den letzten Jahren nicht viele Profi-Damen in Deutschland erzielt.

Julia ist Profi-Athletin und per Definition sollte man als Profi auch seinen Lebensunterhalt mit dem Sport bestreiten können. Manch andere Profis können sich den Athleten-Lifestyle nur durch entsprechendes Elternhaus finanzieren und haben für meinen Geschmack eine falsche Auffassung in Sachen Profi-Sport!

Die folgende Tabelle zeigt ihr Vita als Langdistanzlerin. Kritiker werden meinen, dass ihre Zeiten stagnieren. Ich sehe das dennoch positiv, denn Julia bringt diese Leistungen stabil, jederzeit und eben nicht nur 1x pro Saison! Es gibt genügend Sportler, die einmal im Leben ein gutes Rennen abliefern, dann aber nie mehr an diese Leistungen anknüpfen können.

Ziel für 2016 wird es sein, ihre Bestzeit auf sub9:30 zu drücken. Wo und wann werden wir in den nächsten Wochen gemeinsam erarbeiten. Ich bin sehr stolz darauf, an dieser Vita nicht ganz unbeteiligt gewesen zu sein. Julia scheint wohl mit etwas weniger Talent/Grundschnelligkeit als manch andere Athletin gesegnet zu sein, aber diesen Malus macht sie durch unglaubliche Disziplin, Trainingsfleiss und mentale Stärke wett. Sie ist immer wieder am Tag X ihre “best version of her”!

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Ich hoffe, dass ich alle Platzierungen und Zeiten korrekt erfasst habe;-)

 

 

Ironman Wales- ein Beispiel für erfolgreiches Pacing

Ich möchte heute mal eine perfekte Rennausführung eines Ironman mit daraus resultierender Qualifikation für den Ironman Hawaii 2016 am Beispiel von Robert Seele verdeutlichen.

Ich arbeite mittlerweile seit 2 Jahren mit Robert zusammen, erste Früchte konnten letztes Jahr mit einer sehr schnellen Zeit von 9.07 in Barcelona eingefahren werden. Allerdings wusste Robert sehr wohl, dass diese Zeit relativ wenig wert ist, da das ganze 2015er- Rennen eine einzige Farce in Sachen Windschattenproblematik dargestellt hat. Darauf hin hat er sich für 2015 mit dem IM Lanzarote und dem IM Wales gleich 2 der härtesten Prüfungen im Ironman-Rennkalender rausgesucht. Nachdem das Rennen auf den Kanaren verletzungsbedingt nicht so rund lief, haben wir einen Neuaufbau für Wales geplant, der im Vorfeld relativ viele Einheiten im wales-spezifischen Belastungsbereich beinhaltet hat. Schwere Bedingungen zu Wasser, viel Wind und 2600 Höhenmeter beim Radfahren sowie knapp 600 eckige und winklige Höhenmeter beim Laufen sind schon in Summe ein ordentliches Brett!

Durch regelmässige Kontrolle der Garmin-Files im Vorfeld, konnte man recht genau bestimmen, wie das Pacing und somit daraus auch die Zeitvorgabe aussehen kann. Da ich in 2014 als Betreuer von Julia Bohn (2.Frau gesamt.) vor Ort war, kannte ich die Besonderheiten bzgl. des Anforderungsprofils recht präzise.

Hier ein Screenshot der Vorgabe für Robert:

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Man sieht, dass es beim Schwimmen recht schwierig ist, eine genaue Zielzeit zu definieren, da das Schwimmen immer eine Art Wundertüte darstellt. Finale Streckenlänge, Wellengang, Strömung und die berühmte “Waschmaschine” ergeben zusammen Faktoren, die eine Vorhersage schwer machen. Roberts Form im Becken lag bei ca. 56:30 also 1:29/100m als Durchgangszeit. Nach 1:03 hat er das Wasser verlassen.

Für das Radfahren konnte man das Ganze schon genauer antizipieren. Basierend auf den mir vorliegenden files, konnte ich die Werte relativ sicher bestimmen. Das Pacing ist hierbei ganz klar gekennzeichnet durch ein langsames Starten, um “die Beine fürs Radfahren nach dem Schwimmen zu finden”. Wenn man im steady state nach ca 15min angelangt ist, Tempo erhöhen. Die Strecke in Wales weist relativ viele, kurze Rampen auf, von daher gabs für die unterschiedlichen Längen der Anstiege mit 245 bzw. 250-255 Watt einen konkreten Limiter. Robert hat sich sehr nah daran orientiert, um einen möglichst gleichen Kraftverlauf, der Strecke angepasst, zu erzielen. Das sorgte dafür, dass er nicht in eine “burning matches”-Strategie verfällt, und an den Rampen jeweils zu viele Kohlenhydrate durch ein zu schnelles Fahren bergauf verballert. Mit 207 Watt avg lag er ca 5Watt neben meiner Vorgabe!

Beim Laufen hat er mich jedoch überrascht. Ich wusste, dass er mit einer sehr guten Laufform am Start stehen würde. Das haben die absolvierten 800m-Intervalle im Vorfeld gezeigt. Am Ende lag er ca 10sec/km schneller vor der Vorgabe. Denke, dass er durch das Wissen um die Podiums-Platzierung einen zusätzlichen Motivations-Boost erfahren hat und damit läuferisch etwas über sich hinausgewachsen ist. Die 3.18 in Wales sind etwa mit einer 3.08-3.09 in Frankfurt oder Roth gleichzusetzen!

Am Ende lag er knapp 2min vor dem eigentlichen Pacing!

 

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Perfect execution!!