29. November 2019 Mario Schmidt-Wendling

Wearables im Schwimmtraining

Ich denke, wir sind uns alle einig darüber, dass die Technik Einzug im Triathlon gehalten hat. Die Bandbreite reicht von der Wattmessung fürs Laufen, Real time-Bewegungskontrollen mittels Leomo, Moxy Monitoren bis hin zu Smart Watches und Fitness Tracker, die unseren Alltag permanent screenen.

Doch leider wird dem Ganzen heute zu viel Aufmerksamkeit beigemessen, die Tools werden zu hoch in ihrem Nutzen eingeschätzt, insbesondere beim Thema Schwimmen.

Ich habe mich bereits in 2016 mal kritisch bzgl. der Uhren beim Schwimmen geäußert:

https://sisu-training.de/allgemein/triathlon-365409-garmin-beim-schwimmen/

Ich möchte das Ganze jedoch nochmals etwas näher erläutern, so dass kolportiertes Halbwissen zum Freiwasser-Schwimmen etwas entwaffnet wird.

Es gibt 5 Möglichkeiten, Schwimmgeschwindigkeiten zu steigern.

Untenstehende Tabelle (Quelle: Achim Schneider im Rahmen der DTU A-Lizenz Langdistanz) soll diese Möglichkeiten aufzeigen.

ZL steht hierbei für die Zuglänge, Fz für die Frequenz.

Bildschirmfoto 2019-11-28 um 15.59.11

Die meisten Uhren ermitteln den sog. SWOLF-Wert. SWOLF steht hierbei für Swim Golf, also eine Kombination aus geschwommener Zeit und Anzahl der Armzüge. Damit soll die Effizienz des Schwimmens gemessen werden. Je niedriger dieser Wert ist, desto besser soll die Effizienz (was auch immer das konkret bedeuten soll) sein. 

Hier die Links zu zwei namhaften Herstellern, deren Texte sich im Wortlaut fast gleichen.

https://support.polar.com/de/support/V800/swimming_metrics_pool_swimming

https://support.garmin.com/en-GB/?faq=8ms6votkT31TRIBfCVs9WA

Im Klartext bedeutet dies, entweder schneller zu schwimmen oder die Anzahl der Züge zu reduzieren. Da der Triathlet als Schwimm-Späteinsteiger i.d.R. Probleme mit dem schnellen Schwimmen hat, wird die Frequenz reduziert, um eben diesen SWOLF-Wert zu verbessern.

Die Vorstellung, man könne durchs Wasser gleiten, ist leider weit verbreitet, siehe u.a. auch https://www.triathlon-tipps.de/kraft_sparen_beim_kraulschwimmen_si_299.html 

Für das Freiwasserschwimmen ist das jedoch ein falscher Ansatz, denn durch Wellen, Strömungen und Gegnerkontakt dürfte ein Gleiten in Kombination mit der Tatsache, dass Wasser 880mal dichter als Luft ist, kaum möglich sein. Man sieht bei Overglidern keine gleichmäßige Vorwärtsbewegung, es ist ein kraftraubendes permanentes Be- und Entschleunigen.

Die meisten Triathleten lassen sich vom vermeintlich besseren SWOLF-Wert fehlleiten und arbeiten nur am Verlängern der Zuglänge und der Reduktion der Frequenz.

 

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Es konnte aber in einer Studie aus dem Jahr 2010 nachgewiesen werden, dass sich einige Parameter deutlich verschlechtern, wenn Sportler „gezwungen“ werden, ihre natürliche Armzugfrequenz zu verringern. Herzfrequenz, Sauerstoffbedarf und subjektive Wahrnehmung haben sich bei übersteigerter Reduktion der Zugfrequenz verschlechtert. 

 

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Basierend auf dieser Studie und meinen Erfahrungen aus 10000 Stunden am Beckenrand bedeutet SWOLF für mich ScheisseWeilOberLangsameFrequenz.

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Letztendlich sollte man die Messgenauigkeit der Uhren erwähnen. 

Hierzu eine Studie aus dem Jahr 2018, die eine Apple Watch mit einer Garmin Uhr verglichen hat.

https://www.researchgate.net/publication/326226457_Accuracy_of_swimming_wearable_watches_for_estimating_energy_expenditure

Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass ein optischer HF-Messer am Handgelenk bei einer dynamischen Bewegung, bei der die Arme und somit auch die Uhr, mit hohen Geschwindigkeiten beschleunigt werden, sichere HF-Werte abbildet. Dazu muss die Uhr wohl ziemlich eng anliegen und ob man das als Schwimmer lange toleriert, wage ich zu bezweifeln. Wenn man sich Schwimmer im Training anschaut, sieht man an Hand der Hautrötung recht gut, in welchen Körperteilen mehr Durchblutung stattfindet und in welchen Regionen entsprechend weniger. Ich konnte noch nie eine Dunkelfärbung am Handgelenk feststellen. Von daher würd ich, wenn überhaupt notwendig, die HF immer mit den Fingern an der Halsschlagader, also ganz old school, ermitteln und mich nie auf die HF-Messung mittels Uhr beim Schwimmen verlassen. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass Blutgefäße in Richtung Peripherie an Durchmesser verlieren, der optische Sensor aber den Blutfluss bzw. die Pulswellen optisch ermittelt, kann man unterm Strich schon sagen, dass die Messgenauigkeit mit zunehmender Distanz vom Herzen abnimmt.

Als Fazit bleibe ich somit bei meiner Meinung aus 2016 und möchte gerne die Uhren aus dem Schwimmtraining verbannen. Ich bin durchaus ein Freund von Innovationen, in diesem Fall bleibe ich lieber old school.