9. Juli 2019 Mario Schmidt-Wendling

Meine Beobachtungen rund um den Datev Challenge Roth

Nein, oben ist offensichtlich kein Schreibfehler, denn die Sprecher am vergangenen Sonntag in Roth sprachen in männlicher Form von diesem Rennen. Von meinem Sprachverständnis her müsste das aber eigentlich die und nicht der Challenge heißen, oder?

Bevor sich die Challenge-Befürworter auf den Schlips getreten fühlen und mich als Ironman-nah bezeichnen, möchte ich gleich den Wind aus den Segeln nehmen, denn die folgenden Zeilen sind persönliche Beobachtungen und Entwicklungen, die ich in fast 20 Jahren als Fan-Boy, Athlet und Coach in Roth gesammelt habe.

Das Set-up der Challenge Roth ist nach wie vor grandios, der gesamte Landkreis steht Kopf, über den Solarer Berg braucht man als wahrscheinlich geilsten Kilometer im Triathlon nix mehr schreiben, doch leider bin ich kein uneingeschränkter Befürworter mehr dieses Rennens, denn in meinen Augen hat es Stark an Magie verloren.

Schwimmen

Die Zuschauermassen am Start sind nach wie vor beeindruckend.

Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob das Tragen des Neoprens am Sonntag nicht geradeso noch hingebogen wurde, denn wenn schwächere Schwimmer, die sehr stark durch den Wetsuit profitieren und gerade deswegen einen Start in Roth mit fast 100%iger Neo-Garantie gewählt haben, erwähnen, dass es mehr als grenzwertig heiß gewesen ist und teilweise mehrfach zum Fluten des Anzugs mit kaltem Wasser angehalten werden musste, dann zweifle ich doch am korrekten Messen der Wassertemperatur am Morgen.

Rad

Sorry, aber das Radfahren ist eine absolute Farce. Als Außenstehender hat man überhaupt keinen Einblick mehr, wer wann und wo im Rennen unterwegs ist. Das Starten in unzähligen Startwellen nimmt in meinen Augen jegliche Dramatik und Spannung des Rennens. Der vermeintliche Grund, warum man die Athleten in Startwellen losschickt, nämlich um ein Drafting-freies Rennen zu gewährleisten, ist vollkommen sinnbefreit, wenn man kaum durchgreifende Kampfrichter auf der Strecke hat. Ich hab an mehreren Stellen das Treiben beim Radfahren beobachten können. Was sich da abgespielt hat, lässt mir Erbrochenes im Hals aufsteigen. Mit welcher Dreistigkeit direkt am Hinterrad gefahren wird, entbehrt jeglicher sportlicher Ehre. Besonders abartig zu beobachten war das im Profi-Rennen der Frauen. Daniela Bleymehl fährt auf den ersten 80km 4-5min auf ihre Konkurrentinnen auf, kommt dann aber nicht weg, denn die Gruppe hängt ihr direkt am Rad. Ich kann, wie bereits gesagt, nur das beurteilen, was ich mit eigenen Augen gesehen habe und das war an 3 verschiedenen Stellen auf der Radstrecke immer derselbe Anblick. Im direkten Vergleich zum Ironman Frankfurt war das ein fettes Minus.

Laufen

Die Laufstrecke ist und bleibt sehr geil, auch wenn sie (wie das Radfahren auch) nach Einsicht der .fit-Files etwas zu kurz ist. 

Staffeln:

Ich verstehe das Team um Felix Walchshöfer sehr gut, denn Challenge ist KEIN altruistisches Unternehmen (einige denken das aber wohl immer noch) und möchte genau wie Ironman auch Geld verdienen. Warum man aber ein so großartiges Rennen durch Staffeln regelrecht kaputt macht, bleibt mir echt ein Rätsel. Nach Rücksprache mit einigen Athleten, ist das eher störend und respektlos den Einzelstartern gegenüber, wenn schnelle Staffelathleten, die relativ spät starten, dann mit einem Geschwindigkeitsüberschuss an den Einzelstartern vorbeiballern.

Stimmung:

Wer in den 90er-Jahren in Roth als Zuschauer gewesen ist, der kennt die Stimmung an der Strecke und im Ziel von damals. Das ist mit heute wirklich nicht mehr zu vergleichen. Durch das stundenlange Startprocedere entzerrt sich nicht nur das Rennen, sondern auch die Zuschauer kommen zeitlich versetzt zu den „Stimmungsnestern“. Gerade die Lände hat früher beim Laufen regelrecht gekocht, heute ist das eher ein permanentes Kommen und Gehen.

Das eigens aufgebaute Ziel-Stadion ist sehr cool, aber genau wie am Beispiel Lände, bleiben die Zuschauer nicht. Echt erschreckend, wie schnell sich nach der 3. Profi-Athletin die Reihen gelichtet haben. Warum die Stadionsprecher beim Auflisten der Erfolge der Athleten keine Ironman-Rennen erwähnen oder vom „Triathlon auf Hawaii“ statt Ironman Hawaii sprechen, grenzt irgendwie an Peinlichkeit. Die Stimmung war gut, ich habe aber in den letzten Jahren zig Rennen mit ekstatischeren Zuschauern erleben können.

 

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Fazit:

Das Rennen hat in meinen Augen sehr viel seines früheren Glanzes eingebüßt. Aus Coach-Sicht macht es eigentlich fast keinen Sinn, dort hin zu fahren, denn mit den Startwellen bleibt das Rennen in seinem Verlauf vollkommen intransparent. Wer mit aller Gewalt ein schnelles Rennen haben möchte, sollte in Roth melden. Schnelle, wenn auch etwas zu kurze (aber noch im Rahmen) Strecken und die Möglichkeit am Hinterrad zu lutschen, ermöglichen schnelle Zeiten. 407 Sportler sub10 sprechen eine eigene Sprache und das, obwohl der Wind doch etwas in der zweiten Runde aufgefrischt hat. Was die Zeiten am Ende wert sind, muss jeder für sich selbst wissen….